Ich erinnere mich, wie ich als Kind an heißen Sommertagen barfuß durch das hohe Gras rannte. Ich fühlte das Kitzeln unter den Sohlen, ich hörte das leise Rascheln. In all diesen Momenten dachte ich nie darüber nach, was es bedeutet, die Welt so unbefangen zu erleben. Ich war einfach da – leicht, neugierig, unbeschwert. Bis ich selbst Vater wurde.

Eines Morgens stand mein Sohn neben dem Gartenzaun, hielt einen kleinen Vogelkäfer zwischen seinen Fingern. Er starrte ihn an, als sei es ein magischer Fund. Genau dieses Bild brachte mich zurück zu mir selbst – zurück zu dem kleinen Jungen, der staunend den Himmel betrachtete. Aber damals ging es vorbehaltlos, während ich heute innehalte und mich frage, ob genau dieses Staunen ihn prägt. Oder mich verändert.

Ich habe übersehen, wie viel meine eigenen Eltern für mich getan haben. Ich erinnere mich nicht daran, wie oft meine Mutter mir eine Suppe servierte, wenn ich krank war, oder wie mein Vater im Herbst Eicheln sammelt, um sie als Deko zu nutzen – das habe ich erst durch meinen Sohn begriffen. Jetzt weiß ich, wie viel Arbeit in solchen kleinen Gesten steckt, und noch viel mehr in dem liebevollen Scheitern, wenn doch mal was daneben geht.

Plötzlich wurde mir klar, wie sehr ich mir selbst Raum zum Lernen gelassen habe. Ich durfte umfallen, Fehler machen. Und da war immer jemand, der mir sagte: „Ist okay.“ Ich höre diesen Satz heute in meinem Kopf – wenn mein Sohn etwas zerstört, kleckert oder unsortiert zurücklässt. Früher hätte ich vielleicht genervt reagiert. Heute merke ich: Er braucht meine Akzeptanz mehr als meine Ordnung.

Es gibt Momente, in denen sich meine Sicht verbindet mit der meines Kindes. Als er neulich eines dieser braunen Blatt-Skelette brach, hielt er sie mir voller Stolz entgegen. Das sah ich – und plötzlich sah ich den kleinen Jungen, der sich über solch eine Entdeckung freute. Und ich fühlte: Dieses Teilen ist universell. Nicht nur Vater-Kind, sondern generational. Ich reiche ihm mein Staunen weiter, und in mir wächst das alte Feuer neu.

Ich erinnere mich daran, wie ich als Junge abends noch unter der Decke las, das Licht sanft über die Seiten verstreut. Jetzt sitzt mein Sohn neben mir mit einem Bilderbuch, und wenn er mich fragt, ob ich weiterlese, stockt mein Herz. Denn genau diese Geduld hatte mir meine Eltern geschenkt – und ich möchte sie jetzt zurückgeben. Möchte, dass er spürt: hier darfst du bleiben.

Etwas, was ich nie begriff: Coolsein entsteht nicht durch Perfektion, sondern durch Echtheit. Als Kind fand ich gerade das peinlichste meiner Boxer in der Schule – heute denke ich: Hätte meine Mutter es ins Bild gepackt und gesagt: „Schön bist du“, dann hätte ich gelernt, dass Unperfektion auch Hautfreundlich ist. Mein Sohn trägt Kleidung mit Glitzer – ich finde es albern, er findet es großartig. Und plötzlich erkenne ich: es ist mir egal, ob es cool ist – denn wichtig ist, dass er es trägt, weil es ihm Freude macht.

Wenn ich meinen Sohn zukünftig begleite – auf dem Spielplatz, beim Basteln, im Regen – dann nehme ich bewusst die Farben wieder wahr, den Wind, den Geruch von Erde. Nicht als Vater, der fotografieren will, sondern als der Junge, der einfach spielt. Ich packe dieses Staunen wieder mit ein – weil ich weiß, dass genau das uns beide nährt.