Die Terrible Two – Wenn aus dem Kleinkind ein Vulkan wird (und ich daneben stehe mit Kaffeebecher und Fragezeichen)

von | Juni 29, 2025 | Gedankensalat, Nachwuchs | 0 Kommentare

Man hört es ja oft, schon bevor das Kind überhaupt zwei wird: „Wart’s nur ab, dann kommen die Terrible Two!“ Und man denkt sich, ganz naiv, halb amüsiert: „Ach was, so schlimm wird das schon nicht. Meiner ist ganz lieb.“ Und dann stehst du eines Tages im Wohnzimmer, dein zweijähriger Sohn liegt brüllend auf dem Boden, weil die Banane in zwei Stücke gebrochen ist, und du verstehst plötzlich sehr genau, warum diese Phase ihren eigenen, dramatisch klingenden Namen bekommen hat.

Die Trotzphase. Oder wie ich sie nenne: Die Zeit der großen Gefühle in kleinen Körpern.

Denn es geht nicht um böse Absicht. Es geht nicht um Machtspiele. Es geht darum, dass ein kleiner Mensch plötzlich merkt: „Ich bin ich. Und ich will! Aber ich kann noch nicht alles. Und ich versteh auch noch nicht alles. Und manchmal weiß ich selbst nicht genau, was ich eigentlich will – aber wehe, es läuft nicht so, wie es sich in meinem kleinen Kopf gerade anfühlt.“

Das klingt jetzt fast poetisch. Ist es aber meistens nicht. Es ist laut. Es ist anstrengend. Und manchmal auch ziemlich absurd.

Ein Klassiker bei uns: Mein Sohn will seine Schuhe selbst anziehen. Was super ist. Autonomie und so. Also lasse ich ihn. Er schafft es nicht. Ich frage: „Willst du Hilfe?“ Er schreit: „NEIN!“, dann „JA!“, dann „DOCH NICHT!“, dann wirft er die Schuhe durch den Flur. Eine Minute später sitzt er heulend auf meinem Schoß, ruft „Papa helfen!“ und will, dass ich ihm die Schuhe anziehe, aber nur mit der linken Hand.

Und das ist nur der Morgen.

Trotz ist kein böser Wille. Es ist ein Entwicklungsschritt. Ein verdammt wichtiger sogar. Denn das Kind lernt gerade, dass es einen eigenen Willen hat – und dass dieser manchmal kollidiert mit dem der Welt. Das ist frustrierend. Und weil die Impulskontrolle noch im Aufbau ist (wir reden hier von Baustellenbetrieb, nicht von fertiger Autobahn), fliegt das schnell mal um sich: mit Worten, mit Tränen, mit Spielzeug.

Als Vater steht man dazwischen. Man will trösten, aber auch konsequent sein. Man will Grenzen setzen, aber auch nicht das aufkeimende Selbstbewusstsein bremsen. Man will einfach mal einen Kaffee trinken – aber der ist längst kalt, weil gerade jemand mit aller Kraft gegen das Tischbein tritt.

Ich habe für mich gelernt: Humor hilft. Und Atmen. Tief, langsam, mehrfach. Vor allem, wenn man zum dritten Mal an einem Tag erklärt, dass man nicht rückwärts durch die Haustür gehen kann, nur weil es „lustiger“ ist.

Es gibt Tage, da läuft’s. Da fühle ich mich wie ein echter Emotions-Coach. Ich bleibe ruhig, begleite, benenne Gefühle, bin verständnisvoll. Und es funktioniert! Dann bin ich stolz. Dann denke ich: „Ich hab’s im Griff.“

Und dann kommt der nächste Tag. Da schreit mein Sohn mich an, weil das Wasser zu nass ist. Oder weil ich den falschen Löffel ausgesucht habe. Oder weil ich „zu laut geblinzelt“ habe. Und ich bin wieder ganz unten auf der Papa-Lernkurve.

Aber – und das ist wichtig – diese Phasen gehen vorbei. Nicht spurlos. Aber sie sind wertvoll. Denn sie zeigen, dass sich da ein Mensch entfaltet. Dass da jemand lernt, mit sich und der Welt klarzukommen. Und dass das Zeit, Raum und Nerven kostet.

Ich glaube nicht, dass man Trotzphasen „durchziehen“ muss. Ich glaube, man muss sie begleiten. Mit Klarheit. Mit Empathie. Mit Grenzen, aber auch mit Verständnis. Und mit dem Wissen: Wir sind als Eltern nicht perfekt. Müssen wir auch nicht sein. Wir sind Menschen. Und die lernen auch ständig dazu.

Wenn mein Sohn also wieder mal schreit, weil der Himmel blau ist, dann atme ich. Dann denke ich: „Es ist okay. Er ist zwei. Er lernt gerade, wer er ist. Und ich bin da. Auch wenn ich’s gerade nicht verstehe.“

Und manchmal, zwischen all den Ausrastern, gibt es diese stillen Momente. Wenn er sich an mich schmiegt. Wenn er sagt: „Papa ist lieb.“ Wenn er lacht, weil wir Quatsch machen. Dann weiß ich: Hinter all dem Trotz steckt ein Herz, das sich formt. Und ich darf zusehen.

Oder besser: mittendrin sein.

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