Feuermachen mit meinem Sohn: Warum Glut mehr Geduld braucht als ein Feuerzeug

Feuermachen mit meinem Sohn: Warum Glut mehr Geduld braucht als ein Feuerzeug

Es gibt kaum etwas Ursprünglicheres als Feuer. Es knistert, wärmt, flackert – und zieht uns magisch an. Feuer ist nicht nur ein Element. Es ist Erinnerung. Es ist Gemeinschaft. Es ist ein Versprechen auf Wärme – und vielleicht ein Stück Schokolade auf einem Stock.

Seit ich Vater bin, hat das Feuermachen eine neue Dimension bekommen.
Es ist nicht mehr nur das Entzünden einer Flamme. Es ist ein Ritual. Eine Verbindung. Ein Moment, den ich teilen darf.
Ich mache Feuer – und mein Sohn sitzt daneben. Staunend. Lernend. Fragend. Und immer mit diesem Blick: „Was passiert jetzt, Papa?“

Der Anfang: Nicht alles fängt mit Flamme an

Am Anfang stand nicht das perfekte Lagerfeuer, sondern ein Haufen nasses Holz und ein Feuerstahl, den ich wahrscheinlich öfter gegen den Wind gehalten habe, als es Sinn machte. Mein Sohn war dabei. Nicht, um zu helfen – sondern, weil er wissen wollte, was ich da eigentlich mache.

„Feuer machen“, habe ich gesagt. „So richtig, wie früher.“

Und er war sofort dabei. Mit leuchtenden Augen, voller Spannung. Er wollte die Funken sehen. Das Glühen. Die Magie. Aber das erste, was er gesehen hat, war:
Papa, der flucht.
Weil das Holz nicht brannte. Weil der Zunder feucht war. Weil ich den Funken 10 Zentimeter neben das Ziel gesetzt habe.

Aber genau das war der Moment, in dem ich verstanden habe: Feuer braucht Geduld.
Und: Mein Sohn auch.

Feuermachen ist nicht nur Technik – es ist Haltung

Es geht nicht darum, möglichst schnell eine Flamme zu erzeugen. Es geht um den Prozess. Um das Tun. Um das Warten. Mein Sohn hat gelernt, dass man Holz nicht einfach so anzündet – man bereitet es vor. Man sucht die richtigen Stücke. Man legt sie behutsam. Man beobachtet. Man respektiert das Feuer, bevor man es nutzt.

Ich erkläre ihm, was Zunder ist. Was trockenes Holz bedeutet. Warum man nicht einfach alles reinschmeisst. Und er hört zu. Nicht, weil ich es so spannend erkläre – sondern weil Feuer eben spannend ist. Es ist wild. Unberechenbar. Es will ernst genommen werden.

Und ich merke:
Ich bin nicht nur Papa mit Feuerzeug. Ich bin plötzlich Lehrer. Begleiter. Wächter einer alten Kunst.

Das erste Mal, wenn es klappt

Der Moment, in dem die ersten Flammen hochzüngeln – das ist Gold wert. Für ihn, für mich, für uns. Mein Sohn hüpft fast. „Feuer! Papa! Es brennt!“ Und ich lächle, innerlich fast genauso aufgeregt wie er.

Nicht, weil das Feuer neu für mich ist. Sondern weil ich es mit ihm entfacht habe. Und weil er spürt, dass wir etwas gemeinsam geschaffen haben.

Er will natürlich gleich alles reinwerfen: Stöcke, Blätter, halbe Tannenzapfen. Ich stoppe ihn. Wir reden über Verantwortung. Über Geduld. Über Achtung. Und ich sehe, wie er langsam versteht: Feuer ist nicht Spielzeug. Es ist etwas Echtes.

Und dann wird es ruhig

Das, was ich am meisten liebe, kommt nach dem Knistern. Wenn die Flammen sich beruhigen, wenn das Holz glimmt, wenn wir einfach dasitzen. Kein Sprechen. Nur Schauen.

Mein Sohn starrt ins Feuer. Ich auch. Und zwischen uns fliegen keine Worte, sondern etwas viel Wertvolleres: Verbindung.

In diesen Momenten brauche ich kein Tablet, kein Spielzeug, kein Programm. Wir sitzen einfach da. Zwischen Rauch, Glut und dem sanften Gefühl, dass gerade alles stimmt.

Was mein Sohn dabei lernt (und ich auch)

Er lernt, dass nicht alles sofort klappt.
Er lernt, dass manche Dinge Vorbereitung brauchen.
Er lernt, dass Geduld belohnt wird.
Und ich? Ich lerne, mich zu entschleunigen. Nicht die Flamme zu erzwingen. Mich nicht zu ärgern, wenn’s mal nicht funktioniert.

Ich lerne, dass Erziehung nicht immer laut sein muss. Manchmal reicht ein Blick. Eine Geste. Ein gemeinsames Sitzen vor dem Feuer.

Natürlich ist nicht immer alles romantisch

Es gibt auch die anderen Tage. Wenn er unbedingt ein nasses Blatt ins Feuer werfen will – und es qualmt. Wenn der Wind dreht – und wir beide die volle Rauchladung abbekommen. Wenn er den Stock mit der Glutspitze rumfuchtelt und ich innerlich drei Herzinfarkte kriege. Klar.

Aber auch das gehört dazu. Lernen bedeutet, Fehler machen zu dürfen. Und ja, dabei auch Dreck, Rauch und manchmal ein verbranntes Marshmallow in Kauf zu nehmen.

Feuer bleibt – auch wenn es aus ist

Wenn das Feuer langsam herunterbrennt, löschen wir gemeinsam. Mit Bedacht. Mit Wasser. Mit Respekt. Kein „Einfach gehen“. Kein „Wird schon ausgehen.“
Ich will, dass er versteht: Wer Feuer entfacht, trägt Verantwortung. Bis zum Ende.

Und danach? Danach reden wir über das, was war. Über den Duft, das Knistern, die Funken. Und ich weiss: Das, was er mitnimmt, ist mehr als ein neues Wort im Wortschatz. Es ist ein Gefühl. Ein Wissen, das bleibt.

Feuermachen mit meinem Sohn – das ist mehr als ein Papa-Hobby

Es ist Rückverbindung. Zu mir. Zu ihm. Zur Natur. Zu etwas Ursprünglichem.

Und ganz ehrlich: Wenn er irgendwann selbst Feuer macht – mit eigenen Kindern, mit Freunden oder einfach nur für sich –
dann hoffe ich, dass er sich erinnert.
An den Moment, als es zum ersten Mal klappte.
An den Moment, als er sagte: „Papa, es brennt.“
Und ich daneben saß, mit rußigen Händen und einem Herzen, das leuchtete wie die Glut.

Klettern, Rutschen, Hinfallen – Warum ich lerne, mein Kind loszulassen

Klettern, Rutschen, Hinfallen – Warum ich lerne, mein Kind loszulassen

Es beginnt auf dem Spielplatz.

Ein einfacher Nachmittag, wie viele davor. Mein Sohn, zwei Jahre alt, stapft zielstrebig zum Klettergerüst. Ich, die Jacke noch halb offen, der Kaffee noch zu heiss, gehe ihm hinterher. Und dann sehe ich es: Er steht vor der Leiter. Diese steile, wacklige Leiter, die zu einem Turm führt, der in meiner Papa-Vorstellung etwa so hoch ist wie ein Kirchturm.

Er will rauf. Ohne Hilfe.

Und ich merke, wie es in mir zu arbeiten beginnt. Alles in mir schreit: NEIN! Nicht weil ich ihm nichts zutraue – sondern weil ich plötzlich dieses fiese Kopfkino habe. Was, wenn er abrutscht? Was, wenn er sich weh tut? Was, wenn ich danebenstehe und es nicht verhindere?

Willkommen in der Königsdisziplin des Elternseins: loslassen lernen.

Vertrauen ist kein Gefühl – es ist eine Entscheidung

Mein Kind will die Welt entdecken. Nicht langsam, nicht vorsichtig – sondern mit beiden Händen, auf allen Vieren, im Zweifel auch kopfüber. Und ich? Ich will ihn beschützen. Das ist tief in mir drin. Es ist ein Reflex. Ein Impuls, der sich nicht einfach abschalten lässt.

Aber genau da beginnt mein Lernprozess. Ich muss nicht bei jedem Schritt eingreifen. Nicht jede potenzielle Gefahr abpuffern. Nicht jedes Risiko vorab eliminieren.

Denn wenn ich ehrlich bin: Ich will ja, dass er mutig ist. Selbstständig. Entdecker. Forscher. Ein Kind, das klettert, läuft, ausprobiert – und dabei Fehler machen darf.

Nur merke ich: Das ist leichter gesagt als getan.

Die Balance zwischen „Aufpassen“ und „Einmischen“

Ich stehe also am Spielplatzrand. Beobachte. Bereit einzugreifen, aber mit verschränkten Armen – auch, um mir selbst das Eingreifen schwerer zu machen. Ich sehe, wie mein Sohn sich langsam die Leiter hochhangelt. Wie er zögert, sich umdreht, mich sucht.

Ich nicke. Sage nichts. Aber mein Blick sagt: „Du kannst das.“

Er geht weiter. Schritt für Schritt. Und ich weiss: Das ist sein Moment. Nicht meiner.

Das klingt vielleicht übertrieben, aber für mich war das wie ein kleiner Meilenstein – weniger für ihn als für mich. Ich habe ihm vertraut. Und ich habe mich zurückgenommen. Nicht weil es mir leicht fiel, sondern weil ich wusste: Nur so kann er wachsen.

Er wird hinfallen. Und das ist gut so.

Es passiert früher oder später. Nicht unbedingt auf dieser Leiter. Vielleicht auf dem Laufrad, beim Rennen, auf dem Sofa oder beim Springen vom Sofa – je nach Tagesform. Er fällt. Und es tut weh. Und er weint.

Und ich bin da. Nicht als Schild, sondern als Stütze. Ich tröste, ich puste, ich bin da. Aber ich sage nicht mehr: „Siehst du, Papa hat’s doch gesagt.“ Ich sage: „Das war mutig.“ Und: „Du hast’s probiert.“

Denn genau darum geht’s doch: Kinder brauchen nicht perfekte Bedingungen, sondern stabile Begleitung. Ich muss ihm nicht jede Erfahrung abnehmen – ich muss ihn begleiten, wenn er sie macht. Auch die unangenehmen. Auch die, bei denen ich lieber den Reset-Knopf drücken würde.

Warum Loslassen nicht Verlust bedeutet

Ich habe oft gedacht, dass Loslassen bedeutet, etwas herzugeben. Aber das stimmt nicht. Loslassen bedeutet nicht, dass ich ihn weniger liebe – sondern dass ich ihm mehr zutraue.

Es bedeutet, dass ich ihm Raum gebe. Raum für eigene Entscheidungen. Für eigene Fehler. Für eigene Erfolge.

Es bedeutet, dass ich ihm zutraue, selbst Lösungen zu finden – auch wenn sie anders aussehen als meine. Dass er seinen eigenen Weg geht – auch wenn der manchmal länger, umständlicher oder schmutziger ist.

Und es bedeutet, dass ich mich selbst nicht immer als Rettungsschirm begreifen muss. Ich bin nicht der Dirigent seiner Kindheit. Ich bin der Zuschauer mit Tränen in den Augen, wenn er auf der Bühne steht – und der, der mit ihm hinter der Bühne lacht, wenn’s mal nicht geklappt hat.

Kleine Schritte – grosse Wirkung

Ich lerne also loszulassen. Schritt für Schritt.

Ich halte die Schaukel nicht mehr fest, wenn er anschubst. Ich warte ab, wenn er die Rutsche runterzögert. Ich lasse ihn selbst entscheiden, ob er barfuss laufen will. Und ich sehe zu, wie er über Wurzeln stolpert, sich fängt – und stolz wie ein König weitermarschiert.

Diese kleinen Momente sind es, in denen ich begreife: Das ist kein Kontrollverlust. Das ist Erziehung auf Augenhöhe. Das ist Liebe, die Freiheit zulässt.

Und manchmal, wenn er dann zurückkommt, mir den Arm um den Hals legt und sagt: „Papa, ich bin gross!“ – dann weiss ich: Ja. Bist du. Und ich wachse gerade mit dir mit.

Warum ich es liebe, wenn mein Kind dreckig nach Hause kommt

Warum ich es liebe, wenn mein Kind dreckig nach Hause kommt

Früher hätte ich nie gedacht, dass ich das mal sagen würde – aber ich liebe es, wenn mein Kind dreckig nach Hause kommt. So richtig. Matsch in den Haaren, Sand in den Ohren, braune Spuren auf der Kleidung, die mal hell war. Es gibt für mich kaum ein besseres Zeichen dafür, dass ein Tag voller echter Kindheit stattgefunden hat.

Natürlich sehe ich auch, was andere Eltern sagen oder denken. Dass saubere Kleidung ein Zeichen von „gut betreut“, „ordentlich“, „unter Kontrolle“ ist. Und ich verstehe das. Wirklich. Ich mag frische Bettwäsche und duftende Handtücher genauso wie jeder andere. Aber wenn es um mein Kind geht, dann ist Schmutz für mich ein Beweis für Leben.

Denn was bedeutet es eigentlich, wenn ein Kind dreckig nach Hause kommt? Es bedeutet, dass es draussen war. Dass es sich bewegt hat. Dass es Dinge entdeckt hat, die kein Bildschirm bieten kann. Dass es den Mut hatte, zu springen, zu graben, zu klettern. Dass es sich getraut hat, die Welt mit den Händen zu begreifen – wortwörtlich.

Matsch ist mehr als nur Dreck

Ich weiss noch, wie ich anfangs noch jedes Fleckchen kritisch beäugt habe. Wie ich vorsichtig versuchte, die Hosen sauber zu halten oder nach jeder Spielrunde direkt zum Umziehen riet. Doch mit der Zeit merkte ich: Ich bin der, der etwas verpasst.

Denn während ich versuchte, sauber zu bleiben, hat mein Sohn gelebt.
Er war im Sandkasten, knietief im Wald, in Pfützen, auf dem Spielplatzboden. Er hat Dinge gesammelt, an denen ich sonst vorbeilaufe: Stöcke, die plötzlich Schwerter wurden. Steine, die geheimnisvolle Schätze waren. Blätter, die zu Flugobjekten mutierten. Und am Ende des Tages war sein ganzer Körper eine Art Tagebuch dieses Abenteuers.

Ja, das bedeutet mehr Wäsche. Ja, manchmal bleibt Matsch an Stellen haften, die selbst die Waschmaschine nicht erreicht. Und ja, der Dreck verteilt sich gnadenlos durch den Flur. Aber gleichzeitig verteilen sich auch Geschichten. Geschichten, die nur entstehen, wenn man sich traut, den Dreck zuzulassen.

Kind sein heisst nicht steril sein

Es gibt einen gesellschaftlichen Trend, der mir manchmal Bauchweh macht. Alles muss sauber, sicher, kontrolliert sein. Aber Kindheit ist nicht kontrolliert. Kindheit ist Chaos. Sie ist wild. Sie ist laut und leise und matschig und bunt. Wenn wir anfangen, Kinder in Watte zu packen – metaphorisch und wortwörtlich – dann nehmen wir ihnen das, was sie stark macht: das Erleben. Das Ausprobieren. Das Scheitern. Und das Wiederaufstehen.

Einmal hat mein Sohn sich beim Buddeln im Wald einen Aststummel ins Knie gerammt. Nichts Schlimmes – ein Pflaster, ein paar Tränen, weiter ging’s. Aber ich erinnere mich an den Blick in seinen Augen. Nicht „Oh nein, ich bin gefallen“, sondern eher: „Wow, das war wild.“ Und ich wusste: Das wird er behalten. Nicht die Wunde. Aber das Gefühl, mutig gewesen zu sein.

Dreck verbindet

Was mich immer wieder fasziniert: Wenn mein Sohn mit anderen Kindern draussen spielt, dann dauert es keine fünf Minuten, bis alle gleich aussehen. Die Kleidung wird egal. Herkunft, Sprache, Alter – alles zweitrangig. Was zählt, ist: „Willst du mitbuddeln?“ Und plötzlich sind sie ein Team. Ein Mini-Bautrupp, der ein Matsch-Flussbett anlegt oder eine geheime Höhle baut.

Dreck verbindet. Er ist ehrlich. Du kannst dich nicht besser anstellen als andere, wenn du auf allen Vieren im Sand hockst. Du bist einfach mittendrin. Und das ist etwas, das Kinder viel früher verstehen als Erwachsene.

Vertrauen statt Kontrolle

Ich habe lernen müssen, loszulassen. Nicht nur was Flecken angeht – sondern auch meine Erwartung, wie ein Kind „sich benehmen“ soll. Ich wollte, dass mein Sohn lernt, Rücksicht zu nehmen, höflich zu sein, Regeln zu akzeptieren. Alles richtig. Aber ich wollte auch, dass er sich spüren darf. Dass er wild sein darf. Dass er nein sagen kann. Dass er in eine Pfütze springt, weil es Spass macht – nicht weil es erlaubt ist.

Und das geht nur, wenn ich ihm Raum lasse. Wenn ich nicht ständig „Pass auf!“ rufe, sondern lerne, zwischen echtem Risiko und normalem Entdeckungsdrang zu unterscheiden. Ja, er fällt mal hin. Aber er steht auch wieder auf. Und jedes bisschen Dreck ist ein Beweis, dass er gelebt hat.

Was ich durch den Schmutz sehe

Wenn mein Sohn mir mit erdigen Händen einen Fund zeigt – sei es ein Käfer, ein Stein oder ein Ast, der „aussieht wie ein Dinosaurierzahn“, dann sehe ich, was ich selbst verlernt habe: Staunen.

Ich gehe durch denselben Wald, dieselben Wege – aber ich sehe nicht, was er sieht. Ich laufe, er bleibt stehen. Ich denke an die Einkaufsliste, er entdeckt ein Schneckenhaus. Ich halte Abstand von der Pfütze, er springt mit beiden Füssen hinein.

Und ich merke: Ich will das wieder lernen. Ich will wieder mehr hinschauen. Wieder mehr fühlen. Wieder mehr lachen, wenn ich dreckig bin. Mein Kind bringt mir das bei – jeden Tag ein bisschen mehr.

Und ja – ich ärgere mich manchmal

Nicht alles ist immer Friede, Freude, Pfützenparadies. Natürlich gibt es Momente, in denen ich fluche. Wenn ich schon das dritte Paar Socken an einem Vormittag wechseln muss. Wenn die Couch mit Waldresten verziert ist. Oder wenn der Sand aus den Schuhen ein neues Biotop im Flur bildet.

Aber weisst du was? Das vergeht. Die Wäsche wird wieder sauber. Der Dreck wird weggeputzt. Aber die Freude – die bleibt.

Am Ende des Tages

Wenn ich meinen Sohn abends in die Badewanne stecke, sehe ich die Spuren des Tages langsam verschwinden. Die braunen Knie werden wieder rosa, der Waldboden fällt aus den Haaren, und die kleinen Hände schrubben den Dreck ab. Und während ich zusehe, weiss ich: Genau so muss es sein.

Denn ich will nicht, dass mein Kind immer sauber ist. Ich will, dass es lacht. Dass es lebt. Dass es jeden Tag mit allen Sinnen entdeckt. Und wenn das bedeutet, dass ich dreimal mehr waschen muss – dann wasche ich eben dreimal.

Denn die Erinnerungen, die er da draussen sammelt – zwischen Matsch und Moos, zwischen Pfützen und Baumstämmen – die kann keine Waschmaschine der Welt ausradieren. Und das ist gut so.

Es gibt kein schlechtes Wetter – nur nasse Papas: Abenteuer im Regen mit meinem Sohn

Es gibt kein schlechtes Wetter – nur nasse Papas: Abenteuer im Regen mit meinem Sohn

Es gibt diese Tage, an denen der Regen unaufhörlich ans Fenster trommelt, die Pfützen auf dem Gehweg langsam zu kleinen Teichen werden und jeder normale Mensch beschliesst: Heute bleiben wir drinnen.
Aber ich bin Papa. Und mein Sohn ist zwei. Und zwei Jahre alte Kinder interessieren sich nicht für Wetterberichte.

„Raus?“ fragt er mit großen Augen und schon halb angezogenen Gummistiefeln. Ich? Schaue aus dem Fenster, sehe Wind, nasse Bäume und matschige Wege. Mein innerer Schweinehund flüstert: Bleib auf der Couch. Aber ich ziehe die Regenjacke an.

Denn ich weiss inzwischen: Die schönsten Abenteuer beginnen oft mit nassen Socken.

Also packen wir uns ein, ich noch mit einem „Zur Sicherheit“–Thermoskaffee unter der Jacke, er mit seiner unkaputtbaren Begeisterung. Wir gehen in den Wald. Und was da passiert, ist jedes Mal gleich – und jedes Mal anders.

Er springt in Pfützen. Nicht vorsichtig. Nicht prüfend. Sondern mit voller Wucht. Wasser spritzt bis zu den Ohren, ich bekomme was ab, lache, will etwas sagen – und höre mich stattdessen sagen: Warum eigentlich nicht?

Er klettert auf nasse Baumstämme, rutscht runter, steht wieder auf. Kein Meckern, kein „Igitt“, kein „Ich hab mich dreckig gemacht“. Nur weiter. Und ich frage mich: Wann hab ich eigentlich aufgehört, mich dreckig zu machen?

Wir entdecken Regenwürmer, beobachten, wie Tropfen auf Blättern tanzen, und hören das Quietschen seiner Gummistiefel auf Matschboden wie eine Melodie. Es gibt keine Regeln, keinen Plan, kein Ziel. Nur Zeit. Und diesen Moment.

Natürlich, ehrlich gesagt, denke ich manchmal: Was mache ich hier eigentlich? Wenn der Regen plötzlich stärker wird, mein Sohn den halben Wald in seiner Kapuze sammelt und meine „wasserdichte“ Jacke langsam aufgibt.

Aber dann sagt er: „Papa, schau!“ Und zeigt auf einen Bach, der gestern noch trocken war. Oder auf eine Spur im nassen Waldboden. Oder auf ein Blatt, das aussieht wie ein Drachenflügel.

Und ich schaue. Nicht kurz. Nicht halbherzig. Sondern wirklich.

Denn im Regen gibt es keine Ablenkung. Keine Screens, keine E-Mails, keine Aufgabenliste. Nur ihn, mich – und die Natur, die uns beide gerade einfach machen lässt.

Diese Momente sind nasser als jede Dusche, kälter als mir lieb ist – und gleichzeitig wärmer als jeder Indoor-Spielplatz. Weil ich nicht nur sehe, wie mein Sohn die Welt entdeckt – sondern weil ich mit ihm entdecke.

Ich merke, wie gut mir das tut. Auch wenn ich danach komplett durchgeweicht bin. Auch wenn ich zu Hause erstmal die halbe Wohnung mit nassen Klamotten dekorieren muss. Ich bin runtergefahren, klar im Kopf, durchgepustet – und voller Bilder, die kein Handy hätte festhalten können.

Und genau deshalb sage ich heute oft zuerst: „Ach, Regen…“ – und dann: „Komm, wir gehen.“

Denn mein Sohn hat mich gelehrt:
Es gibt kein schlechtes Wetter. Es gibt nur verpasste Abenteuer.

Die ersten Worte: Warum „Sicher nicht!“ mehr ist als nur Trotz

Die ersten Worte: Warum „Sicher nicht!“ mehr ist als nur Trotz

Die ersten Worte eines Kindes sind magisch. Da ist dieses kleine Wesen, das dich monatelang nur angestarrt, gebrabbelt, geschrien und gelacht hat – und plötzlich kommt da ein echtes Wort. Ausgesprochen, gemeint, mitten aus dem Herzen.

„Papa.“
„Mama.“
„Bagger.“
Alles Klassiker.

Bei uns hat sich aber ein anderer Satz zur wahren Lieblingsphrase entwickelt. „Sicher nicht!“ Und das – wichtig – mit wütendem Stampfen auf den Boden.

Es ist inzwischen so legendär, dass ich es schon höre, bevor er es sagt. Die Augen werden schmal, die Hände gehen in Position, der kleine Fuss hebt sich dramatisch… Boom!„SICHER NICHT!“

Und ganz ehrlich: Ich liebe es. Auch wenn ich in dem Moment vielleicht gerade versuche, ihm die Schuhe anzuziehen. Oder ihn davon abhalten will, zum zehnten Mal in die Hundeschüssel zu greifen. Oder ihn überreden möchte, bitte einfach nur kurz zu sitzen.

Denn auch wenn’s anstrengend ist – es ist Sprache. Ausdruck. Persönlichkeit pur.

Was ich faszinierend finde: Diese ersten Worte zeigen nicht nur, dass dein Kind sprechen lernt. Sie zeigen, wer es ist. Was es will, was es nicht will, und wie es das in Worte packt. Und manchmal – das ist das wirklich Unheimliche – klingen diese Worte verdächtig nach einem selbst.

Ich habe mich dabei ertappt, wie ich überlegte: Sag ich wirklich so oft „Sicher nicht“? Und ja – wahrscheinlich schon. Vielleicht nicht mit Stampfen, aber mit demselben Ton.

Kinder sind nicht nur Sprach-Schwämme, sie sind Spiegel. Sie hören alles. Sie merken sich alles. Und sie geben es zurück – oft mit unfreiwilliger Präzision.

Da steckt dann in einem einzigen Satz wie „Sicher nicht!“ so viel drin: Trotz, Stolz, Unabhängigkeit – aber eben auch: „Ich habe dich verstanden. Und jetzt zeige ich dir, wie ich das auch kann.“

Natürlich wäre es manchmal praktischer, wenn das erste Lieblingswort „Ja, Papa!“ wäre. Oder „Natürlich, ich helfe dir!“ Aber wir reden hier nicht von Wunschkonzerten – sondern von kleinen Menschen mit eigenen Ideen. Und das ist eigentlich das Schönste daran.

Denn „Sicher nicht!“ ist nicht einfach nur Trotz. Es ist Selbstwirksamkeit. Es ist der Beweis, dass dein Kind sich ausprobiert. Grenzen testet. Dich herausfordert – nicht um zu nerven, sondern um zu lernen.

Und irgendwo zwischen dem fünften „Sicher nicht!“ des Tages, einem drohenden Trotzanfall und meinem inneren Wunsch nach Ruhe, weiss ich: Genau so soll es sein.

Auch wenn ich mir manchmal wünsche, dass er das nächste Lieblingswort aus einem etwas… kooperativeren Wortfeld wählt. Vielleicht „bitte“? Oder „Kaffee“? Ich nehme, was ich kriegen kann.