Urlaub mit Kleinkind: Warum man nach den Ferien erst mal Erholung braucht

Urlaub mit Kleinkind: Warum man nach den Ferien erst mal Erholung braucht

Als Vater denkt man irgendwann: „Wir brauchen Urlaub.“ Und was meint man damit? Ruhe. Abschalten. Endlich wieder durchatmen. Mal ein bisschen Wellness, gutes Essen, entspannte Stunden mit der Familie, vielleicht sogar ein bisschen Zeit für sich. Und dann bucht man ein schönes Hotel, packt gefühlt den gesamten Hausstand ein – und fährt los. Voller Vorfreude. Und ein kleines bisschen naiv.

Wir waren gerade im Hotel Kaiserhof in Berwang. Ein wunderschöner Ort, wirklich. Freundliches Personal, tolles Essen, ein Wahnsinnsblick auf die Berge. Kurz: der perfekte Ort, um mal runterzufahren. Theoretisch.

Denn die Realität im Urlaub mit einem Kleinkind ist… sagen wir: anders. Sie ist lauter, bunter, chaotischer. Und vor allem: voller „Papa?“, „Nein!“, „Ich will nicht schlafen!“, „Wo ist mein Bagger?“ – mitten in der Hotel-Lobby. Wo andere Gäste mit ihren kuschelig gefalteten Bademänteln Richtung Spa schlendern.

Die Tage fangen früh an. Sehr früh. Während andere Gäste beim Frühstück noch müde gähnen, hat unser Sohn schon den kompletten Kinderspielraum inspiziert, zwei Stühle verschoben, einen Croissant-Gipfel erklommen und den Feuerlöscher entdeckt. Ich trinke meinen Kaffee nicht heiß, sondern nach zehn Minuten – weil jemand plötzlich dringend aufs Zimmer zurück muss, „nur ganz kurz“, aber mit Drama und voller Windel.

Aber weißt du was? Trotz all dem – es war großartig.

Nicht, weil es entspannend war. Sondern weil es intensiv war. Weil man auf eine andere Art zur Ruhe kommt – nämlich, indem man sich dem Moment ergibt. Dem Chaos. Der Lautstärke. Der Tatsache, dass der Wellnessbereich für Eltern kleiner Kinder „der Spielraum mit dem Rutschauto“ ist. Und die Sauna? Ein ungenutztes Symbol der alten Zeit.

Und doch gibt es diese Augenblicke. Wenn man abends gemeinsam auf dem Balkon sitzt. Wenn das Kind endlich schläft – mit Sand in den Haaren, voller Eindrücke, tief zufrieden. Wenn man die Berge anschaut, den Tag Revue passieren lässt und merkt: Es war voll. Laut. Herausfordernd. Und wunderschön.

Urlaub mit Kleinkind ist kein Ausruhen. Es ist Erleben. Es ist gemeinsam Zeit verbringen, ohne Alltag. Ohne Uhr. Ohne Kita, Termine, Kochen, Waschen. Dafür mit neuen Eindrücken, Spielplatzabenteuern, und dem Gefühl: „Wir sind gerade richtig zusammen.“

Natürlich ist man nach einer Woche fix und fertig. Die Rückfahrt ist kein Ausklang, sondern nochmal eine Prüfung. Aber man fährt mit einem vollen Herzen. Weil da Erinnerungen sind. Und weil man spürt: Es war gut so. Genau so.

Nächstes Mal nehmen wir vielleicht weniger Zeug mit. Oder auch nicht. Vielleicht klappt es dann mit der Sauna. Oder auch nicht. Aber was sicher ist: Wir werden wieder fahren. Und wieder sagen: „Wir brauchen Urlaub.“ Nur diesmal wissen wir, was das wirklich heißt.

Papa trägt – und das gerne: Warum Tragen mehr ist als Transport

Papa trägt – und das gerne: Warum Tragen mehr ist als Transport

Es gibt Bilder, die brennen sich tief ins Gedächtnis ein. Eins davon ist mein Sohn, zusammengerollt wie ein kleines Faultier auf meiner Brust – schlafend, warm, sicher. Ich höre seinen Atem, spüre sein Gewicht, und alles in mir wird ruhig.

Wenn man Vater wird, denkt man an viele Dinge: Windeln wechseln, Nächte durchwachen, Kinderlieder ertragen. Aber dass das Tragen – körperlich und emotional – so eine große Rolle spielen würde, das habe ich erst mit der Zeit verstanden. Und heute sage ich: Ich trage. Gerne. Weil Tragen nicht nur Fortbewegung ist, sondern Verbindung.

Am Anfang war es praktisch – dann wurde es emotional

Natürlich fing alles pragmatisch an. Kinderwagen ist sperrig, Gelände unwegsam, Treppen nervig – also Tragehilfe. Rucksack-Trage, Bauchtrage, Tragetuch (anfangs war das Ding für mich ein komplexes Textilpuzzle mit YouTube-Anleitung).

Aber irgendwann habe ich gemerkt: Es geht nicht mehr ums Bequeme – sondern ums Nähe schenken.

Mein Sohn will nicht immer getragen werden. Aber wenn er will, dann mit voller Inbrunst. Dann drückt er sich an mich, schlingt die Arme um meinen Hals und sagt nichts – weil alles gesagt ist.

Tragen ist ein Gespräch ohne Worte

Wenn ich ihn trage, kommunizieren wir auf einer anderen Ebene. Ich spüre, ob er müde ist, oder wach. Ob er sich entspannen kann, oder noch unruhig ist. Ob er lauscht, träumt, beobachtet. Und er? Er spürt mich. Mein Tempo. Meine Atmung. Mein Herzschlag.

Es ist, als würde die Welt für einen Moment langsamer. Intimer.
Und ich begreife: Das ist nicht nur körperliche Nähe.
Das ist Beziehung. Auf Augenhöhe. Nur eben mit einem, der ein bisschen kleiner ist.

Und ja, mein Rücken meldet sich

Natürlich ist das Tragen nicht immer romantisch. Es gibt Tage, da merke ich jedes Kilo, jede Kurve im Weg, jede Minute, die ich zu lange aufrecht war. Ich ächze, ich schwitze, ich fluch innerlich ein bisschen. Aber es ist okay. Weil das, was ich zurückbekomme, schwerer wiegt als jeder Muskelkater.

Und es gibt diese besonderen Momente – wenn er einschläft, ganz nah, die Stirn an meinem Hals, die kleinen Finger locker in meinem Shirt vergraben. Dann ist alles ruhig. Außen wie innen.

Tragen ist kein „Hilfsmittel“ – es ist Haltung

Ich kenne die Kommentare.
„Du verwöhnst ihn.“
„Der muss auch mal laufen.“
„Wird der nicht langsam zu schwer?“

Und ich lächle. Denn ich weiss, was sie nicht wissen: Dass Tragen nicht Schwäche ist. Es ist Stärke zeigen, wenn Nähe gebraucht wird.
Es ist ein Angebot. Keine Pflicht. Es ist ein Versprechen:
Ich bin da. Auch wenn du müde bist. Auch wenn du’s nicht sagen kannst. Auch wenn du einfach nur meine Nähe willst.

Er wird irgendwann nicht mehr getragen werden wollen

Und ich weiss: Diese Zeit ist endlich.
Irgendwann wird er sagen: „Ich kann das allein.“
Und ich werde nicken, stolz und ein bisschen wehmütig. Denn so soll es sein. Aber bis dahin trage ich ihn – nicht, weil er es nicht anders könnte,
sondern weil ich es kann.

Weil es Momente gibt, die man nicht verschieben kann.
Weil Nähe nicht auf später vertagt werden sollte.
Weil ein Kind, das getragen wird, nicht schwach ist – sondern geborgen.
Und weil ein Vater, der trägt, nicht aufgibt – sondern trägt, was zählt.

Tragen ist für mich Teil des Vaterseins

Ich trage beim Spazieren, beim Einkaufen, im Wald, auf dem Weg zur Kita.
Ich trage in der Früh, wenn die Beine noch müde sind.
Ich trage am Abend, wenn die Welt zu viel war.
Ich trage, weil ich es will – und weil ich es darf.

Und eines Tages, wenn er grösser ist, wenn er nicht mehr auf meinen Schultern sitzt oder in meinem Nacken plappert, dann werde ich diese Erinnerungen tragen. In meinem Herzen.

Nicht als Last – sondern als Geschenk.

Der erste Waldspaziergang mit eigenem Tempo – Warum 500 Meter ewig dauern dürfen

Der erste Waldspaziergang mit eigenem Tempo – Warum 500 Meter ewig dauern dürfen

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich Waldspaziergänge in sportlichem Tempo gemacht habe. Frische Luft tanken, Kopf durchlüften, Strecke machen – vielleicht ein kleiner Podcast auf den Ohren, ein bisschen Gedanken sortieren.
Dann wurde ich Vater. Und der Begriff „Spaziergang“ hat eine völlig neue Bedeutung bekommen.

Seitdem ich mit meinem Sohn unterwegs bin, misst sich ein Waldspaziergang nicht mehr in Kilometern, sondern in Entdeckungen pro Quadratmeter.

Und ganz ehrlich: Ich liebe es.

Der Weg ist das Ziel – wirklich

Früher wäre ich nie auf die Idee gekommen, auf 20 Metern Wegstrecke fünfmal stehen zu bleiben. Heute ist das Standard.
Denn mein Sohn hat gelernt, dass der Wald voll ist von Dingen, die es wert sind, genau betrachtet zu werden.
Ein Käfer, der über den Weg krabbelt.
Ein Stein, der aussieht wie ein Herz.
Ein umgefallener Baum, der perfekt ist, um draufzuklettern.
Ein Zapfen, der mitgenommen werden muss – weil er „so aussieht wie ein Drachen-Schwanz“.

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich immer die Geduld aufbringe, die dieser Entdeckungstrip verlangt. Aber ich arbeite daran. Denn ich merke: Je mehr ich mich auf sein Tempo einlasse, desto mehr sehe ich auch wieder selbst.

Kinder gehen nicht einfach – sie erleben

Während ich innerlich manchmal denke: Wir sind noch nicht mal aus der Nähe des Parkplatzes raus, geht mein Sohn durch ein episches Abenteuer. Für ihn ist jeder Schritt im Wald eine Mission. Und jeder Fund ein kleiner Schatz.

Ich frage mich manchmal, wann ich verlernt habe, auf diese Weise zu gehen. Nicht von A nach B, sondern mittendrin zu sein. Ohne Ziel. Ohne Eile. Ohne die ständige Frage: „Wie weit noch?“
Denn für ihn gibt es keine „Wegstrecke“ – es gibt nur das Hier und Jetzt.

Und ja – manchmal ist es anstrengend. Wenn wir drei Mal um denselben Baum laufen. Wenn er sich an einem Ameisenhaufen festbeisst und ich nach fünf Minuten immer noch die gleiche Erklärung wiederhole. Aber ich erinnere mich dann daran: Das ist Lernen. Das ist Weltverstehen. Das ist Kindsein.

Der Wald als Entschleunigungslehrer

Kein Ort bringt mich so sehr zurück zu mir wie der Wald. Und kein Mensch schafft es so sehr, mir meinen eigenen Takt zu spiegeln wie mein Sohn.
Wenn ich mit ihm durch den Wald gehe, verlangsamt sich alles.
Nicht weil ich es will, sondern weil ich es muss – und weil es sich gut anfühlt.

Ich kann nicht hetzen, wenn er plötzlich auf allen Vieren durchs Unterholz kriecht.
Ich kann nicht drängeln, wenn er einen besonders langen Stock gefunden hat, den er jetzt als „Feuerwehrleiter“ mit sich führt.
Ich kann nicht „mal schnell“ was erklären, wenn er genau wissen will, warum Baumrinde abblättert, wie ein Pilz wächst und ob der Specht wohl noch da ist.

Und plötzlich, ganz unmerklich, fange ich an, mitzumachen.
Ich knie mich hin. Ich gucke mit. Ich bin wieder Kind – zumindest für einen Moment.

500 Meter in zwei Stunden – und alles richtig gemacht

Es gibt Tage, da schaffen wir kaum den Weg bis zur nächsten Bank. Und ich merke, wie der alte innere Timer in mir aufblitzt. Müssen wir nicht weiter? Ist das nicht zu wenig Bewegung?
Aber dann schaue ich ihn an – wie er barfuss über Waldboden geht, wie er Steine sortiert, wie er sich in den Duft des Mooses legt – und ich denke: Doch. Genau so muss es sein.

Denn was bringt es, wenn wir Strecke machen, aber nichts erleben?

Ich lerne wieder zu staunen

Am meisten beeindruckt mich, wie viel Begeisterung in den kleinsten Dingen steckt.
Ein heruntergefallener Ast ist kein Müll, sondern ein Zauberstab.
Ein Fleck Sonnenlicht wird zur Bühne.
Ein Vogelruf wird zum Rätsel.
Und ich? Ich werde vom Zuschauer wieder zum Mitspieler.

Es ist gar nicht so einfach, die eigene Ungeduld beiseitezuschieben.
Aber wenn ich es schaffe, dann bin ich nicht nur Vater – ich bin wieder ein bisschen mehr Mensch.

Ich habe gelernt:
Ein Spaziergang mit meinem Kind ist kein Fortbewegungsmittel.
Es ist eine Einladung.

Eine Einladung, langsamer zu gehen.
Aufmerksamer zu werden.
Zuzuhören.
Zuzusehen.
Und dabei zu erkennen:
500 Meter können ein ganzes Universum sein.

Klettern, Rutschen, Hinfallen – Warum ich lerne, mein Kind loszulassen

Klettern, Rutschen, Hinfallen – Warum ich lerne, mein Kind loszulassen

Es beginnt auf dem Spielplatz.

Ein einfacher Nachmittag, wie viele davor. Mein Sohn, zwei Jahre alt, stapft zielstrebig zum Klettergerüst. Ich, die Jacke noch halb offen, der Kaffee noch zu heiss, gehe ihm hinterher. Und dann sehe ich es: Er steht vor der Leiter. Diese steile, wacklige Leiter, die zu einem Turm führt, der in meiner Papa-Vorstellung etwa so hoch ist wie ein Kirchturm.

Er will rauf. Ohne Hilfe.

Und ich merke, wie es in mir zu arbeiten beginnt. Alles in mir schreit: NEIN! Nicht weil ich ihm nichts zutraue – sondern weil ich plötzlich dieses fiese Kopfkino habe. Was, wenn er abrutscht? Was, wenn er sich weh tut? Was, wenn ich danebenstehe und es nicht verhindere?

Willkommen in der Königsdisziplin des Elternseins: loslassen lernen.

Vertrauen ist kein Gefühl – es ist eine Entscheidung

Mein Kind will die Welt entdecken. Nicht langsam, nicht vorsichtig – sondern mit beiden Händen, auf allen Vieren, im Zweifel auch kopfüber. Und ich? Ich will ihn beschützen. Das ist tief in mir drin. Es ist ein Reflex. Ein Impuls, der sich nicht einfach abschalten lässt.

Aber genau da beginnt mein Lernprozess. Ich muss nicht bei jedem Schritt eingreifen. Nicht jede potenzielle Gefahr abpuffern. Nicht jedes Risiko vorab eliminieren.

Denn wenn ich ehrlich bin: Ich will ja, dass er mutig ist. Selbstständig. Entdecker. Forscher. Ein Kind, das klettert, läuft, ausprobiert – und dabei Fehler machen darf.

Nur merke ich: Das ist leichter gesagt als getan.

Die Balance zwischen „Aufpassen“ und „Einmischen“

Ich stehe also am Spielplatzrand. Beobachte. Bereit einzugreifen, aber mit verschränkten Armen – auch, um mir selbst das Eingreifen schwerer zu machen. Ich sehe, wie mein Sohn sich langsam die Leiter hochhangelt. Wie er zögert, sich umdreht, mich sucht.

Ich nicke. Sage nichts. Aber mein Blick sagt: „Du kannst das.“

Er geht weiter. Schritt für Schritt. Und ich weiss: Das ist sein Moment. Nicht meiner.

Das klingt vielleicht übertrieben, aber für mich war das wie ein kleiner Meilenstein – weniger für ihn als für mich. Ich habe ihm vertraut. Und ich habe mich zurückgenommen. Nicht weil es mir leicht fiel, sondern weil ich wusste: Nur so kann er wachsen.

Er wird hinfallen. Und das ist gut so.

Es passiert früher oder später. Nicht unbedingt auf dieser Leiter. Vielleicht auf dem Laufrad, beim Rennen, auf dem Sofa oder beim Springen vom Sofa – je nach Tagesform. Er fällt. Und es tut weh. Und er weint.

Und ich bin da. Nicht als Schild, sondern als Stütze. Ich tröste, ich puste, ich bin da. Aber ich sage nicht mehr: „Siehst du, Papa hat’s doch gesagt.“ Ich sage: „Das war mutig.“ Und: „Du hast’s probiert.“

Denn genau darum geht’s doch: Kinder brauchen nicht perfekte Bedingungen, sondern stabile Begleitung. Ich muss ihm nicht jede Erfahrung abnehmen – ich muss ihn begleiten, wenn er sie macht. Auch die unangenehmen. Auch die, bei denen ich lieber den Reset-Knopf drücken würde.

Warum Loslassen nicht Verlust bedeutet

Ich habe oft gedacht, dass Loslassen bedeutet, etwas herzugeben. Aber das stimmt nicht. Loslassen bedeutet nicht, dass ich ihn weniger liebe – sondern dass ich ihm mehr zutraue.

Es bedeutet, dass ich ihm Raum gebe. Raum für eigene Entscheidungen. Für eigene Fehler. Für eigene Erfolge.

Es bedeutet, dass ich ihm zutraue, selbst Lösungen zu finden – auch wenn sie anders aussehen als meine. Dass er seinen eigenen Weg geht – auch wenn der manchmal länger, umständlicher oder schmutziger ist.

Und es bedeutet, dass ich mich selbst nicht immer als Rettungsschirm begreifen muss. Ich bin nicht der Dirigent seiner Kindheit. Ich bin der Zuschauer mit Tränen in den Augen, wenn er auf der Bühne steht – und der, der mit ihm hinter der Bühne lacht, wenn’s mal nicht geklappt hat.

Kleine Schritte – grosse Wirkung

Ich lerne also loszulassen. Schritt für Schritt.

Ich halte die Schaukel nicht mehr fest, wenn er anschubst. Ich warte ab, wenn er die Rutsche runterzögert. Ich lasse ihn selbst entscheiden, ob er barfuss laufen will. Und ich sehe zu, wie er über Wurzeln stolpert, sich fängt – und stolz wie ein König weitermarschiert.

Diese kleinen Momente sind es, in denen ich begreife: Das ist kein Kontrollverlust. Das ist Erziehung auf Augenhöhe. Das ist Liebe, die Freiheit zulässt.

Und manchmal, wenn er dann zurückkommt, mir den Arm um den Hals legt und sagt: „Papa, ich bin gross!“ – dann weiss ich: Ja. Bist du. Und ich wachse gerade mit dir mit.

Warum ich es liebe, wenn mein Kind dreckig nach Hause kommt

Warum ich es liebe, wenn mein Kind dreckig nach Hause kommt

Früher hätte ich nie gedacht, dass ich das mal sagen würde – aber ich liebe es, wenn mein Kind dreckig nach Hause kommt. So richtig. Matsch in den Haaren, Sand in den Ohren, braune Spuren auf der Kleidung, die mal hell war. Es gibt für mich kaum ein besseres Zeichen dafür, dass ein Tag voller echter Kindheit stattgefunden hat.

Natürlich sehe ich auch, was andere Eltern sagen oder denken. Dass saubere Kleidung ein Zeichen von „gut betreut“, „ordentlich“, „unter Kontrolle“ ist. Und ich verstehe das. Wirklich. Ich mag frische Bettwäsche und duftende Handtücher genauso wie jeder andere. Aber wenn es um mein Kind geht, dann ist Schmutz für mich ein Beweis für Leben.

Denn was bedeutet es eigentlich, wenn ein Kind dreckig nach Hause kommt? Es bedeutet, dass es draussen war. Dass es sich bewegt hat. Dass es Dinge entdeckt hat, die kein Bildschirm bieten kann. Dass es den Mut hatte, zu springen, zu graben, zu klettern. Dass es sich getraut hat, die Welt mit den Händen zu begreifen – wortwörtlich.

Matsch ist mehr als nur Dreck

Ich weiss noch, wie ich anfangs noch jedes Fleckchen kritisch beäugt habe. Wie ich vorsichtig versuchte, die Hosen sauber zu halten oder nach jeder Spielrunde direkt zum Umziehen riet. Doch mit der Zeit merkte ich: Ich bin der, der etwas verpasst.

Denn während ich versuchte, sauber zu bleiben, hat mein Sohn gelebt.
Er war im Sandkasten, knietief im Wald, in Pfützen, auf dem Spielplatzboden. Er hat Dinge gesammelt, an denen ich sonst vorbeilaufe: Stöcke, die plötzlich Schwerter wurden. Steine, die geheimnisvolle Schätze waren. Blätter, die zu Flugobjekten mutierten. Und am Ende des Tages war sein ganzer Körper eine Art Tagebuch dieses Abenteuers.

Ja, das bedeutet mehr Wäsche. Ja, manchmal bleibt Matsch an Stellen haften, die selbst die Waschmaschine nicht erreicht. Und ja, der Dreck verteilt sich gnadenlos durch den Flur. Aber gleichzeitig verteilen sich auch Geschichten. Geschichten, die nur entstehen, wenn man sich traut, den Dreck zuzulassen.

Kind sein heisst nicht steril sein

Es gibt einen gesellschaftlichen Trend, der mir manchmal Bauchweh macht. Alles muss sauber, sicher, kontrolliert sein. Aber Kindheit ist nicht kontrolliert. Kindheit ist Chaos. Sie ist wild. Sie ist laut und leise und matschig und bunt. Wenn wir anfangen, Kinder in Watte zu packen – metaphorisch und wortwörtlich – dann nehmen wir ihnen das, was sie stark macht: das Erleben. Das Ausprobieren. Das Scheitern. Und das Wiederaufstehen.

Einmal hat mein Sohn sich beim Buddeln im Wald einen Aststummel ins Knie gerammt. Nichts Schlimmes – ein Pflaster, ein paar Tränen, weiter ging’s. Aber ich erinnere mich an den Blick in seinen Augen. Nicht „Oh nein, ich bin gefallen“, sondern eher: „Wow, das war wild.“ Und ich wusste: Das wird er behalten. Nicht die Wunde. Aber das Gefühl, mutig gewesen zu sein.

Dreck verbindet

Was mich immer wieder fasziniert: Wenn mein Sohn mit anderen Kindern draussen spielt, dann dauert es keine fünf Minuten, bis alle gleich aussehen. Die Kleidung wird egal. Herkunft, Sprache, Alter – alles zweitrangig. Was zählt, ist: „Willst du mitbuddeln?“ Und plötzlich sind sie ein Team. Ein Mini-Bautrupp, der ein Matsch-Flussbett anlegt oder eine geheime Höhle baut.

Dreck verbindet. Er ist ehrlich. Du kannst dich nicht besser anstellen als andere, wenn du auf allen Vieren im Sand hockst. Du bist einfach mittendrin. Und das ist etwas, das Kinder viel früher verstehen als Erwachsene.

Vertrauen statt Kontrolle

Ich habe lernen müssen, loszulassen. Nicht nur was Flecken angeht – sondern auch meine Erwartung, wie ein Kind „sich benehmen“ soll. Ich wollte, dass mein Sohn lernt, Rücksicht zu nehmen, höflich zu sein, Regeln zu akzeptieren. Alles richtig. Aber ich wollte auch, dass er sich spüren darf. Dass er wild sein darf. Dass er nein sagen kann. Dass er in eine Pfütze springt, weil es Spass macht – nicht weil es erlaubt ist.

Und das geht nur, wenn ich ihm Raum lasse. Wenn ich nicht ständig „Pass auf!“ rufe, sondern lerne, zwischen echtem Risiko und normalem Entdeckungsdrang zu unterscheiden. Ja, er fällt mal hin. Aber er steht auch wieder auf. Und jedes bisschen Dreck ist ein Beweis, dass er gelebt hat.

Was ich durch den Schmutz sehe

Wenn mein Sohn mir mit erdigen Händen einen Fund zeigt – sei es ein Käfer, ein Stein oder ein Ast, der „aussieht wie ein Dinosaurierzahn“, dann sehe ich, was ich selbst verlernt habe: Staunen.

Ich gehe durch denselben Wald, dieselben Wege – aber ich sehe nicht, was er sieht. Ich laufe, er bleibt stehen. Ich denke an die Einkaufsliste, er entdeckt ein Schneckenhaus. Ich halte Abstand von der Pfütze, er springt mit beiden Füssen hinein.

Und ich merke: Ich will das wieder lernen. Ich will wieder mehr hinschauen. Wieder mehr fühlen. Wieder mehr lachen, wenn ich dreckig bin. Mein Kind bringt mir das bei – jeden Tag ein bisschen mehr.

Und ja – ich ärgere mich manchmal

Nicht alles ist immer Friede, Freude, Pfützenparadies. Natürlich gibt es Momente, in denen ich fluche. Wenn ich schon das dritte Paar Socken an einem Vormittag wechseln muss. Wenn die Couch mit Waldresten verziert ist. Oder wenn der Sand aus den Schuhen ein neues Biotop im Flur bildet.

Aber weisst du was? Das vergeht. Die Wäsche wird wieder sauber. Der Dreck wird weggeputzt. Aber die Freude – die bleibt.

Am Ende des Tages

Wenn ich meinen Sohn abends in die Badewanne stecke, sehe ich die Spuren des Tages langsam verschwinden. Die braunen Knie werden wieder rosa, der Waldboden fällt aus den Haaren, und die kleinen Hände schrubben den Dreck ab. Und während ich zusehe, weiss ich: Genau so muss es sein.

Denn ich will nicht, dass mein Kind immer sauber ist. Ich will, dass es lacht. Dass es lebt. Dass es jeden Tag mit allen Sinnen entdeckt. Und wenn das bedeutet, dass ich dreimal mehr waschen muss – dann wasche ich eben dreimal.

Denn die Erinnerungen, die er da draussen sammelt – zwischen Matsch und Moos, zwischen Pfützen und Baumstämmen – die kann keine Waschmaschine der Welt ausradieren. Und das ist gut so.

Es gibt kein schlechtes Wetter – nur nasse Papas: Abenteuer im Regen mit meinem Sohn

Es gibt kein schlechtes Wetter – nur nasse Papas: Abenteuer im Regen mit meinem Sohn

Es gibt diese Tage, an denen der Regen unaufhörlich ans Fenster trommelt, die Pfützen auf dem Gehweg langsam zu kleinen Teichen werden und jeder normale Mensch beschliesst: Heute bleiben wir drinnen.
Aber ich bin Papa. Und mein Sohn ist zwei. Und zwei Jahre alte Kinder interessieren sich nicht für Wetterberichte.

„Raus?“ fragt er mit großen Augen und schon halb angezogenen Gummistiefeln. Ich? Schaue aus dem Fenster, sehe Wind, nasse Bäume und matschige Wege. Mein innerer Schweinehund flüstert: Bleib auf der Couch. Aber ich ziehe die Regenjacke an.

Denn ich weiss inzwischen: Die schönsten Abenteuer beginnen oft mit nassen Socken.

Also packen wir uns ein, ich noch mit einem „Zur Sicherheit“–Thermoskaffee unter der Jacke, er mit seiner unkaputtbaren Begeisterung. Wir gehen in den Wald. Und was da passiert, ist jedes Mal gleich – und jedes Mal anders.

Er springt in Pfützen. Nicht vorsichtig. Nicht prüfend. Sondern mit voller Wucht. Wasser spritzt bis zu den Ohren, ich bekomme was ab, lache, will etwas sagen – und höre mich stattdessen sagen: Warum eigentlich nicht?

Er klettert auf nasse Baumstämme, rutscht runter, steht wieder auf. Kein Meckern, kein „Igitt“, kein „Ich hab mich dreckig gemacht“. Nur weiter. Und ich frage mich: Wann hab ich eigentlich aufgehört, mich dreckig zu machen?

Wir entdecken Regenwürmer, beobachten, wie Tropfen auf Blättern tanzen, und hören das Quietschen seiner Gummistiefel auf Matschboden wie eine Melodie. Es gibt keine Regeln, keinen Plan, kein Ziel. Nur Zeit. Und diesen Moment.

Natürlich, ehrlich gesagt, denke ich manchmal: Was mache ich hier eigentlich? Wenn der Regen plötzlich stärker wird, mein Sohn den halben Wald in seiner Kapuze sammelt und meine „wasserdichte“ Jacke langsam aufgibt.

Aber dann sagt er: „Papa, schau!“ Und zeigt auf einen Bach, der gestern noch trocken war. Oder auf eine Spur im nassen Waldboden. Oder auf ein Blatt, das aussieht wie ein Drachenflügel.

Und ich schaue. Nicht kurz. Nicht halbherzig. Sondern wirklich.

Denn im Regen gibt es keine Ablenkung. Keine Screens, keine E-Mails, keine Aufgabenliste. Nur ihn, mich – und die Natur, die uns beide gerade einfach machen lässt.

Diese Momente sind nasser als jede Dusche, kälter als mir lieb ist – und gleichzeitig wärmer als jeder Indoor-Spielplatz. Weil ich nicht nur sehe, wie mein Sohn die Welt entdeckt – sondern weil ich mit ihm entdecke.

Ich merke, wie gut mir das tut. Auch wenn ich danach komplett durchgeweicht bin. Auch wenn ich zu Hause erstmal die halbe Wohnung mit nassen Klamotten dekorieren muss. Ich bin runtergefahren, klar im Kopf, durchgepustet – und voller Bilder, die kein Handy hätte festhalten können.

Und genau deshalb sage ich heute oft zuerst: „Ach, Regen…“ – und dann: „Komm, wir gehen.“

Denn mein Sohn hat mich gelehrt:
Es gibt kein schlechtes Wetter. Es gibt nur verpasste Abenteuer.