Es gibt diese Vorstellung vom modernen Vater, der alles im Griff hat: Windeln, Wäsche, Wickeltasche – und natürlich seine eigene innere Mitte. Einer, der liebevoll, präsent, beruflich engagiert, sportlich und mental stabil ist. Und irgendwo zwischen Spielplatz, Einkauf und Kinderarztbesuch noch kurz meditiert und seinen Bizeps definiert.
Ich sag’s gleich: Ich bin nicht dieser Vater. Zumindest nicht jeden Tag. Aber ich hab etwas gelernt, das mich wirklich weitergebracht hat: Pausen sind kein Luxus. Sie sind Überlebensstrategie.
Früher dachte ich, Auszeit bedeutet: mal ein Wochenende weg. Wellnesshotel. Oder zumindest ein Abend mit Freunden ohne Kindergeschrei. Heute weiß ich: Zehn Minuten Stille am Küchentisch können mehr retten als drei Tage Spa. Und manchmal ist ein einzelner bemalter Warhammer-Marine wirkungsvoller als ein Achtsamkeitsseminar in den Bergen.
Denn der Alltag mit Kleinkind ist intensiv. Wunderschön, ja – aber eben auch laut, chaotisch, klebrig und ohne festen Feierabend. Du bist dauernd verfügbar. Und wenn du gerade mal nicht gefragt wirst, fragst du dich, ob du was vergessen hast. Wenn du funktionierst, merkt’s keiner. Wenn du ausfällst, merkt’s jeder. Und dann noch die Arbeit, die Beziehung, die To-do-Liste, die Elternabende und das Gefühl: „Wann war ich eigentlich zuletzt einfach nur ich?“
Genau da beginnt der Punkt, an dem kleine Auszeiten wichtig werden. Nicht „weil man sich das verdient hat“, sondern weil man sie braucht, um überhaupt weiterhin geben zu können.
Ich hab das nicht sofort verstanden. Am Anfang hab ich gedacht, ich müsste jede freie Minute „effizient nutzen“. Haushalt, Büro, Garten, irgendwas „Nützliches“ halt. Bloß nicht rumsitzen. Bloß nicht nichts tun. Und dann kam der Moment, in dem ich morgens um sieben mit meinem Sohn das dritte Mal denselben Feuerwehr-Song gehört habe, während ich versuchte, in der Küche einen kalten Kaffee zu trinken, und dachte: „Irgendwas läuft hier schief.“
Heute weiß ich: Wenn ich mir kleine Krafttanks im Alltag baue, dann bin ich gelassener, liebevoller, kreativer – und vor allem: wieder ich selbst. Das muss gar nichts Großes sein. Fünf Minuten allein auf dem Balkon mit einem frischen Kaffee (heiß, wohlgemerkt!). Eine kurze Runde mit dem Velo. Ein Warhammer-Modell grundieren. Musik hören, die nicht für Kinder gemacht ist. Oder einfach mal zehn Minuten durchatmen, ohne dass jemand was von mir will.
Manchmal ist meine Auszeit auch eine Pause mit meinem Sohn. Wenn wir zusammen im Wald sind, ohne Plan, ohne Druck. Wenn er Steine sammelt und ich nichts anderes tue, als ihm zuzuschauen. Kein Handy. Keine Erwartung. Nur Natur, Bewegung, frische Luft. Auch das kann ein Krafttank sein – wenn ich aufhöre, es als „Programmpunkt“ zu sehen.
Ich habe auch gelernt, mir diese Momente aktiv zu schaffen. Sie nicht aufzuschieben, bis „alles erledigt ist“. Denn das ist es nie. Irgendwas ist immer. Der Trick ist nicht, Zeit zu finden – sondern sie sich zu nehmen. Und sie ernst zu nehmen. Ich bin niemandem eine Erklärung schuldig, wenn ich mich für 20 Minuten hinsetze, einen Pinsel in die Hand nehme oder einfach mal nichts sage.
Und ja, es gibt Tage, da klappt das nicht. Da ist mein Sohn krank, die Nacht war kurz, der Tag lang und ich am Ende einfach durch. Aber genau dann hilft mir der Gedanke: Auch kleine Pausen haben große Wirkung. Man muss sich nicht gleich selbst retten – manchmal reicht es, sich kurz zu erinnern, dass man mehr ist als Windelwechselautomat oder Pausenclown.
Ich wünsche mir, dass wir Väter uns öfter gegenseitig daran erinnern: Selbstfürsorge ist kein weicher Kram. Sie ist Grundlage. Stärke heißt nicht, nie zu pausieren – sondern zu wissen, wann man es muss. Und den Mut zu haben, das auch durchzuziehen.
Mein Sohn braucht keinen perfekten Vater. Er braucht einen, der da ist. ECHT ist. Und das kann ich nur sein, wenn ich auch auf mich achte. Nicht ständig. Aber regelmäßig. Ein bisschen täglich. In kleinen, echten Kraftmomenten.
Also: nächstes Mal, wenn du dich fragst, ob du gerade wirklich zehn Minuten „vergeuden“ kannst – tu’s. Schenk sie dir. Du wirst danach mehr geben können, als du denkst.
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