Papa trägt – und das gerne: Warum Tragen mehr ist als Transport

von | Juni 1, 2025 | Gedankensalat, Männerzeit, Nachwuchs | 0 Kommentare

Es gibt Bilder, die brennen sich tief ins Gedächtnis ein. Eins davon ist mein Sohn, zusammengerollt wie ein kleines Faultier auf meiner Brust – schlafend, warm, sicher. Ich höre seinen Atem, spüre sein Gewicht, und alles in mir wird ruhig.

Wenn man Vater wird, denkt man an viele Dinge: Windeln wechseln, Nächte durchwachen, Kinderlieder ertragen. Aber dass das Tragen – körperlich und emotional – so eine große Rolle spielen würde, das habe ich erst mit der Zeit verstanden. Und heute sage ich: Ich trage. Gerne. Weil Tragen nicht nur Fortbewegung ist, sondern Verbindung.

Am Anfang war es praktisch – dann wurde es emotional

Natürlich fing alles pragmatisch an. Kinderwagen ist sperrig, Gelände unwegsam, Treppen nervig – also Tragehilfe. Rucksack-Trage, Bauchtrage, Tragetuch (anfangs war das Ding für mich ein komplexes Textilpuzzle mit YouTube-Anleitung).

Aber irgendwann habe ich gemerkt: Es geht nicht mehr ums Bequeme – sondern ums Nähe schenken.

Mein Sohn will nicht immer getragen werden. Aber wenn er will, dann mit voller Inbrunst. Dann drückt er sich an mich, schlingt die Arme um meinen Hals und sagt nichts – weil alles gesagt ist.

Tragen ist ein Gespräch ohne Worte

Wenn ich ihn trage, kommunizieren wir auf einer anderen Ebene. Ich spüre, ob er müde ist, oder wach. Ob er sich entspannen kann, oder noch unruhig ist. Ob er lauscht, träumt, beobachtet. Und er? Er spürt mich. Mein Tempo. Meine Atmung. Mein Herzschlag.

Es ist, als würde die Welt für einen Moment langsamer. Intimer.
Und ich begreife: Das ist nicht nur körperliche Nähe.
Das ist Beziehung. Auf Augenhöhe. Nur eben mit einem, der ein bisschen kleiner ist.

Und ja, mein Rücken meldet sich

Natürlich ist das Tragen nicht immer romantisch. Es gibt Tage, da merke ich jedes Kilo, jede Kurve im Weg, jede Minute, die ich zu lange aufrecht war. Ich ächze, ich schwitze, ich fluch innerlich ein bisschen. Aber es ist okay. Weil das, was ich zurückbekomme, schwerer wiegt als jeder Muskelkater.

Und es gibt diese besonderen Momente – wenn er einschläft, ganz nah, die Stirn an meinem Hals, die kleinen Finger locker in meinem Shirt vergraben. Dann ist alles ruhig. Außen wie innen.

Tragen ist kein „Hilfsmittel“ – es ist Haltung

Ich kenne die Kommentare.
„Du verwöhnst ihn.“
„Der muss auch mal laufen.“
„Wird der nicht langsam zu schwer?“

Und ich lächle. Denn ich weiss, was sie nicht wissen: Dass Tragen nicht Schwäche ist. Es ist Stärke zeigen, wenn Nähe gebraucht wird.
Es ist ein Angebot. Keine Pflicht. Es ist ein Versprechen:
Ich bin da. Auch wenn du müde bist. Auch wenn du’s nicht sagen kannst. Auch wenn du einfach nur meine Nähe willst.

Er wird irgendwann nicht mehr getragen werden wollen

Und ich weiss: Diese Zeit ist endlich.
Irgendwann wird er sagen: „Ich kann das allein.“
Und ich werde nicken, stolz und ein bisschen wehmütig. Denn so soll es sein. Aber bis dahin trage ich ihn – nicht, weil er es nicht anders könnte,
sondern weil ich es kann.

Weil es Momente gibt, die man nicht verschieben kann.
Weil Nähe nicht auf später vertagt werden sollte.
Weil ein Kind, das getragen wird, nicht schwach ist – sondern geborgen.
Und weil ein Vater, der trägt, nicht aufgibt – sondern trägt, was zählt.

Tragen ist für mich Teil des Vaterseins

Ich trage beim Spazieren, beim Einkaufen, im Wald, auf dem Weg zur Kita.
Ich trage in der Früh, wenn die Beine noch müde sind.
Ich trage am Abend, wenn die Welt zu viel war.
Ich trage, weil ich es will – und weil ich es darf.

Und eines Tages, wenn er grösser ist, wenn er nicht mehr auf meinen Schultern sitzt oder in meinem Nacken plappert, dann werde ich diese Erinnerungen tragen. In meinem Herzen.

Nicht als Last – sondern als Geschenk.

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