Ich dachte immer, ich wüsste, was Müdigkeit ist. Ein paar durchgemachte Partynächte, lange Arbeitsphasen, mal ein Langstreckenflug – kein Problem. Aber dann wurde ich Vater. Und plötzlich verstand ich, was echter Schlafmangel ist.
Schlafmangel mit Kleinkind ist keine Phase, es ist ein Lebensgefühl. Es ist der ständige Zustand zwischen „gerade eingeschlafen“ und „schon wieder wach“. Es ist dieses neue Level an Müdigkeit, bei dem du nicht mehr weisst, ob du gerade träumst oder versuchst, eine Milchflasche im Halbschlaf zuzubereiten – mit einer Windel auf dem Kopf, weil du sie im Dunkeln für ein Spucktuch gehalten hast.
Am Anfang denkt man noch, das sei nur die ersten Wochen so. Die Babyzeit eben. Doch dann kommt das Kleinkindalter – und plötzlich schläft das Kind zwar im eigenen Bett, aber nur von 19 bis 22 Uhr. Danach beginnt die grosse Nachtwanderung. Erst ein bisschen Jammern, dann ein leiser Ruf aus dem Zimmer, gefolgt von tapsenden Schritten und einem kleinen Menschen, der sich wie ein Heizkissen quer auf dich legt.
Du wachst morgens auf und hast das Gefühl, in einer Tetris-Partie verloren zu haben – mit deinem eigenen Kind als Endgegner. Deine Schulter tut weh, dein Rücken knirscht, und du brauchst erst mal eine Minute, um zu realisieren, wo du eigentlich bist.
Was erstaunlich ist: Man funktioniert trotzdem. Irgendwie. Mit Kaffee, kaltem Wasser im Gesicht, und dieser mysteriösen Fähigkeit, mit drei Stunden Schlaf einen ganzen Tag zu überstehen. Man erledigt den Alltag, geht zur Arbeit, spielt mit dem Kind, und tut so, als sei alles ganz normal – während die Augenringe langsam ihren eigenen Schatten werfen.
Es ist ein Wunder, wie viele Eltern völlig übermüdet durch den Tag gehen, ohne dass es gross jemand merkt. Man wird effizienter, pragmatischer, manchmal auch einfach stumpf. Man vergisst, was man gerade sagen wollte, steht mitten im Raum und fragt sich, warum man überhaupt hergekommen ist. Klassiker.
Und doch – und das ist das Verrückte – macht man das alles freiwillig. Jeden Tag wieder. Nicht, weil man muss, sondern weil man will. Weil dieses kleine Wesen, das nachts so erbarmungslos deinen Schlaf raubt, tagsüber dein Herz füllt.
Trotzdem: Man darf müde sein. Man darf klagen. Und man darf sich verdammt nochmal wünschen, mal wieder acht Stunden am Stück zu schlafen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal aufgewacht bin, ohne mindestens eine Unterbrechung in der Nacht gehabt zu haben.
Schlafmangel mit Kleinkind verändert dich. Du wirst minimalistischer. Du willst keine tiefgründigen Gespräche vor 10 Uhr. Du trinkst Kaffee nicht mehr zum Genuss, sondern aus Überlebenswillen. Und du entwickelst diese besondere Fähigkeit, mit einem halben Auge zu schlafen, während du parallel Spielzeugautos sortierst.
Aber es kommen auch wieder andere Zeiten. So sagen sie zumindest. Zeiten, in denen das Kind durchschläft. In denen man morgens aufwacht und sich fragt, ob irgendwas nicht stimmt, weil man nicht geweckt wurde. Ich glaube fest daran. Wirklich. Irgendwann.
Bis dahin? Kaffee. Humor. Und die stille Solidarität mit allen anderen Eltern, die mit müden Augen durch die Kita-Tür treten und nur nicken. Wir wissen Bescheid.
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