Manchmal sind es die scheinbar kleinen Dinge, die uns das größte Gefühl geben. Kein Pokal. Keine Bühne. Kein Applaus. Nur du, dein Kind – und eine riesige, nasse, blaue Rutsche in einem Hallenbad irgendwo in der Schweiz. Und genau da stand ich am vergangenen Wochenende. Barfuß, tropfnass, mein zweijähriger Sohn vor mir. Er klammerte sich mit beiden Händen an meinen Hals, zitterte leicht, aber lächelte. Und dann machten wir etwas, das für ihn neu, aufregend und riesig war: Wir rutschten. Zusammen. Und ich habe selten so viel Stolz gespürt.

Es war nicht geplant. Eigentlich war es nur ein ganz normaler Samstagsausflug. Regen draußen, Energie drin – also Hallenbad. Mein Sohn liebt Wasser. Er patscht, spritzt, lacht, ruft „Nochmal!“, auch wenn er noch kaum schwimmen kann. Wir waren schon oft dort, aber die große Rutsche – die hatte er bisher nur aus der Ferne beobachtet. Bunt, spiralförmig, etwas bedrohlich. Ich hätte nicht gedacht, dass sie heute eine Rolle spielen würde. Aber dann stand er plötzlich davor. Schaute hoch. Schaute zu mir. Zeigte drauf. Und sagte einfach: „Papa?“ Mit diesem Blick, der fragt: Gehen wir? Zusammen?

Ich zögerte. Nicht aus Angst vor der Rutsche, sondern weil ich dachte: Ist das nicht zu viel für ihn? Ist er nicht noch zu klein? Aber sein Blick sagte etwas anderes. Er sagte: Ich will das probieren. Aber nur, wenn du da bist. Also nahm ich ihn hoch. Und gemeinsam stiegen wir die Treppe hinauf. Stufe für Stufe. Und ich spürte sein Vertrauen in jeder Bewegung.

Oben angekommen setzte ich mich zuerst. Er auf meinen Schoß. Er klammerte sich an mich, sein Bauch an meinen Bauch, seine Hände um meinen Hals. Ich fragte nochmal: „Bist du bereit?“ Er sagte nichts – aber nickte. Und dann schoben wir uns langsam vorwärts. Und dann ging’s los. Ein Schwall Wasser unter uns, das Kreischen der Luft, das Echo in der Röhre, sein kleiner Körper, der sich an mich presste – und das Lachen. Dieses Lachen.

Unten angekommen standen wir im Auffangbecken, Wasser spritzte, ich hob ihn hoch – und er rief: „Nochmal!“ Und in diesem Moment war er der mutigste Mensch der Welt. Und ich war der stolzeste Papa im ganzen Hallenbad. Ich kann nicht erklären, warum mich das so sehr berührt hat. Vielleicht, weil es kein „großes“ Ereignis war – keine Einschulung, kein Geburtstag. Sondern einfach ein Moment, der zeigte: Er wächst. Er traut sich. Und er will das mit mir gemeinsam tun.

Vaterstolz fühlt sich nicht wie Selbstlob an. Es ist kein „Ich habe das gut gemacht“. Es ist ein tiefes inneres Staunen. Über dieses kleine Wesen, das plötzlich etwas Neues wagt. Über den eigenen Platz in diesem Prozess. Über die Verbindung, die entsteht, wenn man da ist – einfach da, ohne zu schieben, ohne zu ziehen. Nur zu begleiten.

Wir sind an diesem Nachmittag noch dreimal gerutscht. Jedes Mal etwas weniger fest um meinen Hals geklammert. Jedes Mal mit etwas mehr Eigenbewegung. Und irgendwann – das wird vielleicht nicht nächste Woche sein, vielleicht nicht nächsten Monat – wird er allein rutschen. Ohne mich. Und das wird richtig so sein. Aber heute, an diesem Wochenende, war ich noch sein Haltepunkt. Und ich durfte dabei sein, wie er sich ein Stück weiter ausdehnt in die Welt.

Es gibt viele Momente, die man als Vater erlebt. Viele sind laut, viele anstrengend, manche frustrierend. Und dann gibt es solche wie diesen. Momente, die sich so tief einbrennen, dass man sie beim nächsten Besuch schon spürt, bevor man die Tür zum Hallenbad überhaupt aufstößt. Ich werde jedes Mal an dieses Lachen denken. An seinen zitternden Mut. Und an meinen überlaufenden Stolz. In Badehose. Mit Tropfen im Gesicht. Aber mit einem Herzen, das weit, weit offen war.

Vielleicht ist das Vatersein genau das: Das Kind halten, wenn es rutschen will. Nicht festhalten – aber da sein. Und dann unten auffangen, lachen, und bereit sein für „Nochmal!“. Und jedes Mal etwas mehr loslassen. Und trotzdem stolz bleiben. Weil das Herz größer wird, mit jeder Runde.